Ursula – Vom Kopf ins Gehen
„Alles war organisiert – nur ich nicht mehr.“
Ursula (64) aus Bielefeld war meine erste Begleitung auf dem Jakobsweg in Westfalen. Vier Tage waren wir unterwegs – von Bielefeld über Steinhagen, Warendorf und Telgte bis Münster.
Wir sind nicht jeden Kilometer gelaufen, und das war genau richtig so. Einmal stiegen wir nach dem Frühstück einfach in den Bus – raus aus dem Regen, rein ins Gespräch. Für mich gehört das dazu: Der Weg ist kein Dogma, sondern ein Raum für Entscheidungen.
Ursula suchte Ruhe, nicht Leistung. Jeden Abend schrieb sie ein paar Zeilen mit einem alten Füllfederhalter. In Telgte sagte sie: „Ich hätte nie gedacht, dass man sich selbst beim Gehen so nah kommen kann.“
Als wir Münster erreichten, legte sie den Kiesel, den sie seit Bielefeld mit sich trug, neben den Dom – rund, hell, unscheinbar. Ein Symbol dafür, dass ein Schritt manchmal reicht, wenn er bewusst gesetzt ist.
Mara – Der Weg zurück ins Draußen
„Ich wollte wissen, ob ich hier noch zuhause bin – oder schon unterwegs.“
Mara (47) ist in Köln aufgewachsen und hat dort irgendwann das Draußen verloren. Als sie mich fragte, ob wir zusammen ein Stück gehen könnten, war sofort klar, wo: die Via Coloniensis von Euskirchen nach Prüm.
Wir starteten im Frühnebel in Stotzheim. Schon nach den ersten Kilometern lag das Dorf hinter uns, und der Wald nahm uns auf. Hinter Bad Münstereifel hielten wir an der Erftquelle, Brotzeit auf der Mauer, Kräuterduft vom Hang. „Hier riecht’s nach früher“, sagte sie, und meinte Kindheit, Sommer, Geborgenheit.
Zwischen Ormont und der Schneifel lag Dunst über den Wiesen, der Weg verlor sich, die Gedanken auch. „Ich hab vergessen, dass Stille nicht leer ist“, sagte sie leise.
In Prüm setzte sich Mara auf die Stufen der Basilika, schlug ihr Notizbuch auf und schrieb nur einen Satz: „Ich bin angekommen – und noch lange nicht fertig.“
Dann schloss sie das Buch, atmete durch und lächelte.